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On- und Offboarding Teil 2: Offboarding – Der letzte Eindruck bleibt

03.12.2021
Icon-Lesezeit7 min

 

Geschrieben von Joshua Bucheli, KI Ethik Forscher und Fellow beim ForHumanity Center, in Zusammenarbeit mit Jens Hollmann, Organisations- und Führungsberater und Inhaber/Gründer von proresults.eu und Peter Kosel, Gründer von cyberunity

 

Wie wir in unserem ersten Artikel zum Thema Onboarding erfahren haben, ist ein gut durchdachtes und an den Bedürfnissen der neuen Mitarbeitenden orientiertes OnboardingVerfahren die einmalige Gelegenheit des Arbeitgebenden, eine starke Basis für eine konstruktive und harmonische Zukunft zu legen. Ebenso verhält es sich beim Offboarding oder etwas freundlicher ausgedrückt beim Farewell.

 

Wie sagt man so schön: ‘der erste Eindruck zählt und der letzte Eindruck bleibt’. Gerade deshalb besteht im Rahmen einer positiven Trennungskultur für den Arbeitgebenden die Chance, dass Ende der Zusammenarbeit in einen aussichtsreichen Neuanfang zu wandeln.

 

Offboarding: mehr als nur das Ende?

 

Wenn sich ein Mitarbeitender für eine neue Herausforderung entscheidet, lässt er im Allgemeinen nicht einfach alles stehen und liegen und verschwindet von einem Tag auf den anderen. Vom Zeitpunkt der Kündigung bis zum Austritt und darüber hinaus spielen sich auf verschiedenen Ebenen beachtenswerte Dynamiken ab. Unter Offboarding verstehen wir die professionelle Verabschiedung von Mitarbeitenden im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (aus welchem Grund auch immer). Die Trennungsprozesse werden sehr unterschiedlich gehandhabt. Darunter verstehen einige gut strukturierte administrative Prozesse, andere bewegen sich eher auf der emotionalen Schiene. Wieder andere integrieren beide Aspekte und pflegen den Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden weit über deren letzten Arbeitstag hinaus.

 

Tatsächlich wird das Offboarding noch häufiger in seiner Bedeutsamkeit unterschätzt als sein Gegenstück, das Onboarding – warum sollte man Zeit und Geld in Menschen investieren, mit denen man bald nichts mehr zu tun haben wird?

 

Wenn sich Mitarbeitende von einem Unternehmen verabschieden, nehmen sie ihre ganz individuellen Eindrücke der erlebten Arbeitskultur mit. Diese Erkenntnisse sind von unschätzbarem Wert für jedes Unternehmen, das ernsthaft daran interessiert ist, sich kontinuierlich zu verbessern. Ein ehrliches und offenes Feedback aus erster Hand ist unbezahlbar, doch überraschenderweise wird auf diese wertvolle Informationsquelle vielerorts verzichtet. Nicht selten ist sogar die gegenteilige Haltung anzutreffen. Bist Du nicht mehr mit uns, dann bist Du gegen uns und deine Meinung ist nicht mehr gefragt.

 

Jens Hollmann, Organisations- und Führungsberater sowie Inhaber/Gründer von proresults.eu, weist darauf hin, dass «ähnlich wie beim Onboarding auch beim Ausscheiden eines Mitarbeitenden die Unternehmen in der Regel über gut definierte und organisierte fachliche und administrative Prozesse verfügen» – Sperrung des Computer-Logins, Übergabe von Arbeitsmaterial, Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten an neue oder verbleibende Teammitglieder usw.

 

Noch viel zu wenig verbreitet ist die Offenheit gegenüber den ziehenden Mitarbeitenden und die Chance deren Wissen und Erfahrungen konstruktiv zu nutzen. Wertvolle Hintergrundinformationen, die man im laufenden Arbeitsverhältnis nicht so explizit erfahren hätte kommen dann auf den Tisch und bieten beidseitig Raum für Entwicklung. «Die Tatsache, dass die gesammelten Erkenntnisse zwischen den Mitarbeitenden und dem Arbeitgeber nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine wertvolle Basis für Weiterentwicklung darstellen, ist bei vielen Unternehmen eine Sichtweise, die erst noch wachsen muss», sagt Jens.

 

Offen für Verbesserung

 

Menschen mögen es im Allgemeinen nicht, wenn man sie auf ihre Schwächen hinweist. Solche Herausforderungen müssen genutzt werden, auch wenn es unangenehm ist. Deshalb bevorzugen wir es, von Verbesserungspotentialen zu sprechen. Mancher mag versucht sein zu sagen, dass wir hier mit Worten spielen. Doch Worte lösen Emotionen aus und uns ist daran gelegen ein möglichst positives Terrain für Verbesserungen zu schaffen. Haltung entscheidet! wie Martin Permantier in seinem Buch zur zukunftsorientierten Führungskultur aufzeigt. Wir haben die Wahl welche Haltung wir einnehmen und ob wir uns für die Motive und Gründe interessieren, die zum Austritt eines Mitarbeitenden geführt haben.

 

Wie Jens betont, «geht es nicht darum, Schuld zuzuweisen, sondern um eine aufrichtige und ehrliche Feedback-Kultur – ein ehrliches und offenes Gespräch über Dinge zu führen, die sonst auf der Strecke bleiben könnten. Es ist wichtig, dass Unternehmen diesen Unterschied zwischen administrativem Offboarding und kultureller Nachbesprechung erkennen».

 

Es gibt zwei zentrale Fragen, die Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer ‘Farewell-Prozesse’ stellen sollten: Erstens: ‘Würdest Du uns potentiell neuen Mitarbeitenden empfehlen?’ und zweitens: ‘Was hätten wir tun können, um Dich in unserem Team zu halten?’. «Von da an geht es nur noch darum, den Antworten auf diese Schlüsselfragen auf den Grund zu gehen», sagt Jens.

 

Offboarding Begleitung

 

Ein gutes OffboardingGespräch findet auf Augenhöhe statt. Aufrichtige Kritik von dem

Mitarbeitenden wird begrüsst und aufgenommen, anstatt in einen Rechtfertigungs- und Verteidigungsmodus zu verfallen. Wenn man formal kündigt, verschiebt sich die Dynamik zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber ganz natürlich, und bestimmte Hemmungen fallen weg – das macht das Offboarding zu einer hervorragenden Quelle für ehrliches Feedback.

 

Dennoch können einige Hindernisse für eine vollständige Offenlegung von Feedbacks bestehen bleiben. Zum Beispiel ist es nicht für jeden ausscheidenden Mitarbeitenden angenehm, den Vertretern eines Unternehmens offen zu sagen, dass es Führungskräfte gibt, die dem Führungsanspruch des Unternehmens nicht gerecht werden. Wenn dies jedoch zutrifft, ist dies genau die Art von Information, die die Unternehmensleitung wahrnehmen sollte. Die Möglichkeit, ehrlich zu kommunizieren, ist die wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Offboarding-Verfahren. In solchen Fällen können erfahrene Coaches äusserst nützlich sein.

 

Genau wie beim Onboarding ist es wichtig, klare Grenzen zwischen den Zuständigkeiten der Personalabteilungen (administratives Offboarding) und den Aufgaben zu ziehen, die von externen Coaches übernommen werden. Während die Personalabteilung für die administrativen Elemente des Offboarding gut gerüstet ist, sind externe Coaches in der neutralen Position, um Gespräche zwischen Arbeitgebern und scheidenden Mitarbeitenden zu erleichtern und zu vermitteln. Sie bringen ein Gefühl der Unparteilichkeit mit, wissen, wie man die vertrauensvolle Basis für offenes Feedback legt und verstehen wie dieses Feedback den relevanten Entscheidungsträgern innerhalb eines Unternehmens vermittelt werden kann.

 

Wie die ICF 2020 Global Coaching Studie zeigt, erkennen Branchenführer zunehmend die Vorteile, die solche Fachleute bieten. Die Studie ergab, dass der globale Coaching-Markt zwischen 2015 und 2019 um fast 500 Milliarden US-Dollar gewachsen ist, wobei der westeuropäische Markt im gleichen Zeitraum um 18 Millionen US-Dollar wuchs. Aber es braucht nicht das so genannte ‘fear of missing out’ (FOMO), um zu erkennen, dass sich die Investition in ein dynamisches und partizipatives Offboarding rentiert.

 

Nach der Anstellung ist vor der Anstellung

 

Analog dem bekannten Statement aus der Sportwelt: nach dem Spiel ist vor dem Spiel, so ist es auch hier: Die Zeit nach der Anstellung ist die Zeit vor der Anstellung. Das heisst, wenn Mitarbeitende, insbesondere hochqualifizierte, ein Unternehmen verlassen, verschwinden sie nicht einfach von der Bildfläche. Stattdessen werden ehemalige Mitarbeitende wieder in den Pool potenzieller künftiger Leistungsträger aufgenommen. Im Idealfall finden sie, nach einigen Jahren Erfahrung in einer anderen spannenden Position, wie ein Boomerang zurück zu der ehemaligen Wirkungsstätte. Bei diesem sogenannten Boomerang-Hiring liegt der Vorteil auf der Hand – man kennt sich und weiss was man voneinander hat bzw. auch nicht hat.

 

Nehmen wir zum Beispiel die Universitäten, wo Absolventen als ‘Alumni’ und nicht als ‘ehemalige Studenten’ bezeichnet werden. Auf diese Weise erkennen sie den Wert an, den diese Personen auch in Zukunft noch mitbringen können, und ermutigen sie, sich auch nach ihrem Abschluss in der Gemeinschaft zu engagieren. Dies wiederum führt zu einem lebendigen und weitreichenden Netzwerk.

 

Wie der KNOW YOUR TALENTS Ansatz (KYT) von cyberunity unterstreicht, profitieren alle davon, wenn Arbeitgeber sich für ihre zukünftigen Leistungsträger interessieren, weit bevor sie überhaupt eingestellt werden. Das Interesse für seine Mitarbeitende sollte jedoch nie enden. Auch nicht dann, wenn sich langjährige Weggefährten dazu entschliessen, spannende Erfahrungen in einem neuen Umfeld zu sammeln. Führt man die Beziehung über das Arbeitsverhältnis hinaus fort, so kann man vielleicht ein paar Jahre später einen gereiften und bekannten Menschen zurückgewinnen, der neue Erfahrung und Impulse mitbringt. Gibt es einen besseren Weg, die entscheidende Nasenlänge in der Rekrutierung voraus zu sein, als die Beziehungen zu bereits ausgebildeten und kulturell integrierten ehemaligen Mitarbeitenden zu pflegen?

 

Der Gründer der cyberunity AG, Peter Kosel fasst abschliessend zusammen:

«KNOW YOUR TALENTS, ist eine Haltung, die nie endet. Eine der besten Möglichkeiten, sich für die Karriere vielversprechender Personen zu engagieren und diese im Auge zu behalten, besteht unter anderem darin, ihre Farewell-Erfahrung so angenehm und konstruktiv wie möglich zu gestalten.»

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